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"Gleich oder Gerecht"
Die Bedeutung von Gerechtigkeit im Zusammenhang mit der Qualität der Gleichstellungsstrategien Gender Mainstreaming und Diversity Management
Geschlechtergerechtigkeit, Gleichstellung, Chancengleichheit - Schlagwörter rund um Zielsetzungen für Maßnahmen des Gender Mainstreaming und Diversity Management.
- In welchem Verhältnis stehen die Begriffe
gleich und gerecht?
- Ist gleich immer gerecht oder gibt es so etwas wie gerechtfertigte Ungleichheiten?
Die verschiedenen Zugänge zu diesen Fragen in unterschiedlichen Gerechtigkeitskonzeptionen explizit zu machen und ihre Nutzung für die Strategien des Gender Mainstreaming und des Diversity Managements zu beleuchten war Ziel der 4. Plattformveranstaltung (17.-18.5. 2006 in Wien).
Die Schwerpunkte der Diskussion verliefen
- vom Versuch der Benennung möglicher
Koordinaten auf einer Landkarte verschiedener Gerechtigkeitsvorstellungen
über
- die Frage der Bedeutung von Gerechtigkeit
für Organisationen sowohl im Außenauftrag als auch
im Innenverhältnis
- bis hin zu Überlegungen über die Möglichkeit der Darstellung von gerechten bzw. ungerechten Verhältnissen auf gesellschaftlicher, makroökonomischer Ebene.
Als Experteninput gab Dr. Tom Schmid, wissenschaftlicher Leiter der Sozialökonomischen Forschungsstelle, in einem Vortrag einen Überblick über Perspektiven zum Thema Gleichstellung in verschiedenen Gerechtigkeitskonzeptionen.
Gerechtigkeit und Gerechtigkeitsvorstellungen - Landkarte zu möglichen Perspektiven auf das Thema
Der Einsatz von Gender Mainstreaming bzw. auch Diversity Management Maßnahmen erfolgt vor dem Hintergrund impliziter, meist nicht näher benannter Vorstellungen von Gerechtigkeit und Gleichheit. Um Wirkungen plan- und messbar zu machen, erscheint es wesentlich, eine Systematik zu entwickeln, die es erlaubt, diese Vorstellungen vor dem jeweiligen theoretischen Hintergrund zu beschreiben und einzuordnen.
Als Basis für die Analyse und Verortung von Gerechtigkeitsvorstellungen erscheinen folgende Grundannahmen dienlich:
- Die Gerechtigkeit als objektiven Begriff
gibt es nicht, sondern Gerechtigkeit ist immer zu verhandeln
und ist abhängig von
Kontexten, strukturellen Voraussetzungen, Prozessgestaltung, Standorten und damit Perspektiven, Interessen
und Annahmen zu Ethik, Moral und Normen.
- Eine Orientierung und Transparenz im komplexen Themenfeld Gerechtigkeit ist wesentlich für einen zielgerichteten und optimierbaren Einsatz der Strategie des GM und des DM.
Kernfragen, die sich daraus ergeben sind:
- Welche Genderstrukturierungen finden sich
in verschiedenen Gerechtigkeitskonzeptionen?
- Wie können spezifische Vorstellungen von Gerechtigkeit in der Geschlechterdebatte genutzt werden?
Die Entwicklung der nötigen Ausstattungen, die es braucht um diese Fragestellungen zu bearbeiten, ist ein Ziel der Entwicklungsarbeit in diesem Projekt.
Gerechtigkeit als eine Herausforderung an Organisationen
Fragen der Gerechtigkeit und Gleichheit konfrontieren Organisationen mit speziellen Herausforderungen auf zwei möglichen Ebenen:
- einerseits nach außen im Falle eines spezifischen Gerechtigkeitsauftrags der Organisation
- und andererseits im Bezug auf Gerechtigkeit als Gestaltungsprinzip der Organisation nach innen.
Der Gerechtigkeitsauftrag nach außen basiert entweder auf gesetzlichen Regelungen oder auf selbst definierten Missionen und Leitbildern. Je nach Art und Ursprung des Auftrags ergeben sich unterschiedliche Fragestellungen und Spannungsfelder.
Im Rahmen der Plattformveranstaltung wurden Problemstellungen und Beobachtungen in Zusammenhang mit der Frage des Gerechtigkeitsauftrags von Vertreterinnen aus öffentlichen Einrichtungen (Dr.in Andrea Schmon Bundessozialamt; Dr.in Elsbeth Huber und Dr.in Renate Nowak Arbeitsinspektorat) aus ihrer Praxis heraus formuliert.
Folgende Ansatzpunkte für eine Analyse des Auftrags und die Bearbeitung möglicher Spannungsfelder wurden genannt:
- Auf welcher Stufe wird Gerechtigkeit hergestellt?
(indem man über den Prozess der Herstellung von Gerechtigkeit
nachdenkt; präventiv als
Schutz vor Ungerechtigkeit oder kompensatorisch
nach bereits erfolgter Ungerechtigkeit). Je nachdem kommen unterschiedliche
Maßnahmen mit unterschiedlichen Wirkungen zum Tragen.
- Wie werden Zielgruppen für Maßnahmen identifiziert - wer gilt als benachteiligt und wird dadurch zum "Begünstigten" - z.B. im Behindertenbereich.
- Wie werden Kriterienkataloge definiert in Bezug auf Einschlüsse - Ausschlüsse?
Gerechtigkeitsintention und Ein- bzw. Ausschlüsse führen u.U. zur Verstärkung von Stereotypien und neuen Benachteiligungen (z.B. Nachtarbeitsverbot für Frauen)
- Wo sind die Verantwortungen für den Prozess der Herstellung von Gerechtigkeit angesiedelt (Staat, Unternehmen, etc.)
- und welche Wirtschaftsbereiche sind durch Maßnahmen abgedeckt (formelle im Gegensatz zu informellen Sektoren des wirtschaftlichen Lebens)?
Die Frage der Gerechtigkeit im Innenverhältnis von Organisationen kann vor dem Hintergrund von Ressourcen (Güter bzw. Rechte/Lasten) und den AdressatInnen der Verteilung (Person, Gruppe) analysiert werden und den damit einhergehenden Exklusions- bzw. Inklusionsprozessen.
Im Zuge der Implementierung von Gleichstellungsprozessen in Organisationen (Gender Mainstreaming bzw. Diversity Maßnahmen) wird es relevant sein, bei der Formulierung von Gleichstellungszielen darunter liegende Gerechtigkeitsvorstellungen explizit zu machen.
Plan- und Steuerbarkeit von Wirkungen dieser Prozesse können dadurch deutlich erhöht werden.
Das Einbeziehen der Kategorie Gender in die Bedeutungsaspekte der Gerechtigkeit erhöht die Komplexität der Fragestellungen und stellt hohe Ansprüche an Gerechtigkeitskonzepte durch die Paradoxie von "gleich und different". Eine Möglichkeit für Gender Mainstreaming und Diversity Management mit diesen Fragen umzugehen, ist das Einziehen einer doppelten Perspektive durch die Analyse von
- Welchem Unterschied wird gefolgt? (Wie wird mit welcher Bewertung, ... welchem Ziel..., welcher Wirkung,...welcher Unterschied gemacht?)
- Welches Gerechtigkeitskonzept kommt auf diesen Unterschied zur Anwendung?
Gerechtigkeit in ihrer Bedeutung zur Beschreibung von Gesellschaft
Auf der Ebene gesellschaftlicher und makroökonomischer Analysen als Ausgangspunkt für politische Entscheidungen ergeben sich im Zusammenhang mit der Gerechtigkeitsthematik folgende zentrale Fragestellungen:
- Wieweit entsprechen Kennzahlen zum Arbeitsmarktgeschehen
Vorstellungen von Geschlechtergerechtigkeit?
- Wieweit unterliegen Messkonzepte selbst
bestimmten Gerechtigkeitsvorstellungen?
- Wie beeinflussen unterschiedliche Vorstellungen zur Geschlechtergerechtigkeit die verwendeten Indikatoren und Kennzahlen?
Als Herausforderung für eine Gender Analyse, die Geschlechterstrukturen sichtbar und damit veränderbar macht, stellt sich die aktuelle Datenlage dar, die als Grundlage für zahlreiche Fragestellungen zum Thema Geschlechtergerechtigkeit vielfach unzulänglich ist.
Die Beauftragung von Datenerhebungen größeren Umfangs erfolgt vor dem Hintergrund bestimmter, meist nicht transparent gemachter geschlechter- und gerechtigkeitstheoretischer Vorstellungen ohne Offenlegung von expliziten Zielen in Richtung Geschlechtergerechtigkeit.
- Als Schritte für eine effektive Gender-Analyse
wären zu nennen:
Identifikation geschlechtsspezifischer Problemlagen
- Formulierung geschlechtergerechter Zielsetzungen
vor dem Hintergrund von transparent gemachten Geschlechterkonzepten
und Gerechtigkeitsansätzen.
- Sammlung geschlechtssensibler Befunde
durch gezielte Auswahl von Indikatoren
- Schlussfolgerung hinsichtlich zu verändernder Bedingungen bzw. erfolgter Veränderungen
Die inhaltliche Leitung der 4. Plattform lag bei
- Ursula Rosenbichler (abzwien.akademie),
- Tom Schmid (Sozialökonomische Forschungsstelle) und
- Norbert Schermann (Atelier Unternehmensberatung Hutyra und Schermann OEG) unter Mitarbeit von Andrea Leitner (IHS-equi),
- Sybille Pirkelbauer (Arbeiterkammer),
- Christa Walenta und Regine Bendl (WU-Wien),
- Lucie Prochazkova, Sonja Lengauer (Sozialökonomische Forschungsstelle),
- Karl Schörghuber (ARCO Consulting),
- Günter Essl (Dr. Günter Essl KEG).
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